Pfahlewer

Die Vorfahren des Pfahlewers wurden durch holländische Siedler Ende des 11. Jahrhunderts in die Gebiete der Elbniederungen importiert. Vermutlich entwickelten sich die Ewer aus einem dreibrettigen Kahn. Die Form des Kahns wurde in Form des flachen Bodens und der für die Ewer typischen Kahnplanke beibehalten, während das “Restschiff” darüber immer größer wurde. Bis ins 20.Jahrhundert hinein hielten Ewer verschiedener Typen als Fischer- und Frachtewer den speziellen Bedingungen der Elbe (und der See) stand.


In der Unterelbe wirkt oben nämlich der Süßwasserstrom der Elbe Richtung Nordsee und unten tidenabhängig der Salzwasserstrom der Nordsee in die Elbe hinein, wobei zudem der Ebbstrom auf der Nordseite der Elbe auch dann noch fließt, wenn auf der Südseite der Flutstrom schon eingesetzt hat. Kommen zu diesen speziellen Bedingungen noch Stürme und Hochwasser hinzu, verändert sich das Flussbett der Unterelbe  u.U. recht schnell und machen alles zusammengenommen dies Schifffahrtsgebiet noch heute zu einem schwierigen Areal.


Hochburg der Ewer, statistisch gesehen, war Blankenese. Von hier fuhren in der Zeit zwischen 1640 und 1866 bis zu 140 Fischer-Ewer unter dänischer Flagge. (Seit 1111 gehörte Blankenese zum Gebiet der Schaunburger Grafen, unterstand von 1640 bis 1866 dem dänischen König, der die Herzogtümer Schleswig und Holstein erbte und ihnen in Personalunion vorstand. Danach gehörte das Fischerdorf zu Preußen.) Gefangen wurden Butten, Schollen und Seezungen in der See und Stinte in der Elbe. Verkauft wird der Fang in Hamburg und Altona, und als der Druck der Konkurrenz die Preise fallen ließ, auch auf den Marktplätzen an den holländischen Küsten.


Ein wesentlicher Grund für die Konkurrenzfähigkeit der Blankeneser Fischer gegenüber den holländischen war in der Qualität der Fische zu sehen, die auf unterschiedliche Fangmethoden zurückzuführen war. Die Holländer fischten mit einem Schleppnetz, der Kurre. Mit diesem Netze...segelt man und fängt die Fische, welche in die Mündung desselben geraten. Eine Folge davon ist diese, dass die in den Beutel des hamen zusammengetriebene Fische nicht selten getötet, verletzt oder auf Dauer untüchtig werden. (1) Demgegenüber fischten die Blankeneser mit Treibnetzen‚ dreidoppeltem Garne oder Wänden, dicht über den Grund der See oder der Bank, wo gefischt wird, treiben, und worin sich der Fisch wie eine Lerche oder Wachtel verwickelt, und nachdem die Netze eingenommen worden, unbeschädigt ausgelöst wird. Die Kosten einer solchen Gerätschaft übersteigen zwar diejenigen der bei den Holländern gebräuchlichen Netze mehr als zehnfach; allein, die mehrere Sicherheit des Fanges, Güte und Annehmlichkeit der War entschädigen den Blankeneser. (1)


Gebaut wurden die Ewer häufig in Finkenwerder, da die Bootsbauer der Elbinsel als kompetente, zuverlässige und innovative Baumeister galten. (Nach 1830 takelt der Finkenwerder Seefischer C. Rülicke seinen luggerbesegelten Ewer erstmals mit zwei Masten, indem er am Ewerspiegel den Mast mit dem Segel des Beibootes anbringt. 1849 baut die Finkenwerder Werft C. Wriede den ersten Besan-Fischer-Ewer mit Gaffelsegeln.) Der letzte Ewer wird 1884 gebaut – danach werden nur noch Kutter bestellt.


Ab Beginn des 19. Jahrhunderts erwarben die Finkenwerder zusätzlich nach und nach Fischer-Ewer von den Blankenesern und befischten zunächst die Fanggründe, die die Blankeneser aufgeben mussten, weil diese infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen als Mitglieder des dänischen Königreiches von den Engländern verfolgt wurden. Um 1920 gibt es in Blankenese keine Frachtschiffe mehr, und die Fischerei ist mit sieben Fahrzeugen gering geworden. (2) Die Finkenwerder Fischer-Ewer flotte muss zum einen dem Druck der Konkurrenz durch die Fischdampfer weichen; zum anderen kehren etliche von der risikoreichen Austernfischerei zu Winterzeiten nicht zurück. Bei dem gefahrvollen Fischerleben bleibt eine Zuflucht zum Aberglauben nicht aus. Die Netze räuchert man früher mit Zauberkraut, das der Scharfrichter von Hamburg verkauft, um damit die Fische zu berücken.


Fast immer haben die Ewer und Kutter im Bereich des Vorstevens einen besonderen Raum, in den die Fischer ins Netz gekommene Totenschädel stellen. Die Begründungen reichen von “Kann jo min best Fründ sin” bis dahin, dass der Totenkopf die Geister der Tiefe schreckt. Vielfach werden sie mit den Augenhöhlen nach vorn gestellt, weil man sagt, dass Tote schärfer sehen und Sande und verborgene Wracks erkennen können. (2)
Text mit freundlicher Genehmigung von www.pfahlewer.de


Literaturangaben:
(1) Bericht des Regierungs- und Obergerichtsadvokat Schrader aus Pinneberg in den Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichten, 1787
(2) Jochen von Firks, Ewer, Zeesenboot und andere ältere Fischereifahrzeuge,  VEB Hinstorff Verlag, Rostock 1982